Holstein-Haus

Geschichte des Schleswig-Holstein-Hauses

  • 1160/1171 überträgt Heinrich der Löwe dem Bischof Berno den südlichen Teil der Schelfe. Dieser reicht bis zur Kuppe des Schelfhügels nördlich vom Schleswig-Holstein-Haus, schließt also dieses Grundstück ein. Die nördliche Schelfhälfte incl. "Spieltordamm" kommt unter gräfliche Herrschaft.
  • 1284-1479 gehört die ganze Schelfe zum reichsfürstlichen Herrschaftsbereich der Bischöfe.
    Die bischöflichen Besitzungen in der "Altstadt" sind aufgegeben. Deshalb wird hier die
    "curia episcopalis" errichtet, die Schweriner Bischofsresidenz an der Stelle des heutigen
    Schleswig-Holstein-Hauses. Aus dieser Residenzzeit existiert noch eine große, steinerne Schwindgrube, vermutlich aus der 2. Hälfte des 14. Jh.
  • vermutlich zwischen 1366 und 1375 wird von Bischof Friedrich von Bülow die Straße zwischen Bischofshof und Dom gepflastert und bekommt deshalb den Namen "Steinstraße"
    (seit den Nachkriegsjahren Puschkinstraße). Schleswig-Holstein-Haus
  • ab 1423 (spätestens) wird der Bischofshof verpachtet.
     Im 15.Jh. ziehen sich die Bischöfe
    immer mehr aus Schwerin und damit
    von ihrem Hof auf der Schelfe zurück.
  • 1479 kommt die Schelfe (samt Bischofshof) in den Besitz des Domkapitels. Der Bischofshof wird später dem Bauvermögen des Kapitels zugeordnet und figuriert
    dann als "Großer Bauhof".
    Das überflüssige, kostenträchtige Bischofshaus wird zwischen 1479 und der Mitte des 16. Jh. abgerissen.
  • vor 1584 wird der Hof deutlich verkleinert, reicht aber noch bis ins 18. Jh. von der Fischerstraße (heute Münzstraße) über die Steinstraße (heute Puschkinstraße) bis zur Pfaffenstraße.
  • 1586 kauft der Domdekan (und späterer Dompropst) Otto von Wackerbarth die "Hofstelle"
    des Bauhofs und errichtet genau an der Stelle des Bischofshauses seinen Schweriner Amtssitz.
    Von diesem zweistöckigen unterkellerten Gebäude sind Fachwerkteile (u.a. ein mit
    Schnitzereien versehener Torpfosten) und der Keller erhalten.
  • 1599, nach Ottos Tod, übernimmt zunächst die Witwe Anna geb. von Sperling
    (s. Wappen am Torpfosten) den Hof bis zur Volljährigkeit des ältesten Sohnes Ulrich, der wie
    sein Vater Domherr wird.
  • 1627-1634 geht Ulrich mit dem ganzen Kapitel nach Lübeck ins Exil. In den Jahren der
    Wallenstein-Ära in Mecklenburg wird das Vermögen der Domherren konfisziert, also auch der
    Hof auf der Schelfe.
  • 1634-1659 ist Ulrich Dekan des Domkapitels und versieht ab 1642 auch die Funktion des Propstes. Mit seinem Tod (1659) endet die rund 500jährige Geschichte des Schweriner Domkapitels.
  • 1659-1670 bewohnen Ulrichs Söhne, der herzogliche Geheime Rath und Hofmarschall Otto und der Obristleutnant Ivo von Wackerbarth mit Familie zeitweilig das Haus gemeinsam.
    In dieser Zeit erhielt das Haus vermutlich den südlichen Anbau, dessen Keller auch
    noch vorhanden ist.
  • 1685 endet hier mit dem Tod von Ivos Witwe Margarethe die Ära Wackerbarth.
  • 1685-1705 ist das Anwesen im Besitz des Obristen Christoph von Hundt und seiner Frau.
  • 1705-1716 ist hier deren Schwiegersohn, der Hofmarschall Johann Christoph von Halberstadt, ansässig. Dieser Halberstadt ist einer der herzoglichen "Commissarien" (u.a. neben Reutz, dem Architekten der Schelfkirche), die die Umgestaltung der Schelfe zur barocken Schelfstadt planen und umsetzen. Halberstadt überläßt dem Prinzen Christian Ludwig den Garten westlich der
    Steinstraße neben dem "Prinzenhof" (dem Vorgängerbau des Neustädtschen Palais).
  • 1716-1735 folgt als Besitzer der Rostocker Patriziersohn und herzogliche
    Justiz-Kanzlei-Direktor Johann Friedrich Tielcke als Eigentümer des Hausgrundstückes.
    Der reiche Tielcke baut sich nach 1730 ein repräsentatives Palais
    am neu angelegten Schelfmarkt (das spätere Schelfstadtrathaus) und verkauft anschließend sein altes Anwesen in der Steinstraße.
  • 1736-1747 gehört dieses dem Landrat Helmut Friedrich von Oertzen auf Roggow - einem
    wichtigen "Landespolitiker", der maßgeblich an der Ausarbeitung des "grundgesetzlichen Erbvergleichs" von 1754 beteiligt ist. Der bis 1918 gültigen mecklenburgischen Verfassung. H. F. von Oertzen läßt 1737/8 unter Einbeziehung Wackerbarthscher Bausubstanz ein barockes Palais errichten. Hier wohnt er über längere Zeiten mit dem Sohn Jaspar V. und dessen Frau Elisabeth Sophie Charlotte, geb. Freiin Schertel von Burtenbach.
  • 1748-1751 übernimmt Jaspers Schwiegermutter, die Freiin Sophia Maria Schertel von Burtenbach, geb. von Barner,Witwe eines Würtembergers, den Hof. Sie ist auf besonderen Wunsch Herzog Friedrichs und seiner Braut Friederike von Würtemberg als Oberhofmeisterin nach Schwerin gekommen. Der Landrat von Oertzen wohnt weiterhin bei seiner Verwandschaft, wenn es die Dienstgeschäfte erfordern und stirbt achtzigjährig am 3. Juni 1754 hier im Haus.
  • 1752 geht der Besitz an den "Würtembergischen Geheim-Raths-Präsidenten" Christoph Peter
    von Förstner, der ebenfalls im Gefolge der Prinzessin Friederike aus Würtemberg nach Schwerin gekommen ist.
  • 1754 übereignet er das Anwesen seinem Sohn Carl. Dieser amtiert nacheinander als Schloßhauptmann, Oberhofmeister und Geheimer Rat am Hof.
    Carl ist verheiratet mit Susanna Franziska von Oertzen, der Enkelin des Landrates und
    Hauserbauers.  1778 muß Carl von Förstner eine Hypothek auf sein Haus nehmen und verkauft das gesamte Anwesen samt Hypothek an Joachim Levin von Barner.
  • 1785 läßt Barner einen großen, hohen Festsaal, dessen Umfassungsmauern vollständig erhalten
    sind, an die Südseite des Oertzen-Palais anbauen. In einer (jetzt) backsteinsichtigen Innenwand
    dieses Gebäudeteils sind acht quadratische Aussparungen als Balkenauflager erhalten. Sie sind vermutlich der letzte Rest einer in den Saal eingebauten Musikerempore. Auch Barner muß
    Schulden machen (eine Hypothek über 1000 Taler) und stirbt Silvester 1801 in diesem Hause.
    Mit ihm endet die Ära dieses Grundstückes als eines geistlichen und weltlichen Herrensitzes.
  • 1802 kauft der "Selfmademan" Friedrich August Kirchner Haus und Grundstück für 9200 Taler.
    Er macht einen "Gasthof für Vornehme" daraus. Der Dresdner hat sich vom herzoglichen
    Tafeldecker in Ludwigslust hochgearbeitet, dann ökonomisch vorteilhaft geheiratet und führt
    bald nicht nur den Gasthof in der Schelfstadt, sondern auch in Ludwigslust das (immer noch) renommierte "Hotel de Weimar".
  • 1807 läßt Kirchner auf den Mauern des Barnerschen Saales ein Obergeschoß aufstocken.
    Dabei wird die Saaldecke erheblich niedriger gelegt, der Saal selbst in der noch bestehenden
    Weise (mit "Enfilade" und begleitendem Flur) gegliedert, das barocke Palaisdach über die Aufstockung weitergeführt und im Obergeschoß Logierzimmer eingerichtet.
  • 1816 ist auf dem Kirchnerschen Grundstück im ehemaligen Waschhaus
    (Ecke Puschkin- /Schliemannstr.) die Palais-Wache eingerichtet. Sie ist nur besetzt, wenn der Großherzog in Schwerin (d. h. zu dieser Zeit im Neustädtischen Palais) weilt. 1844 zieht die
    Wache in das neuerbaute Arsenal um.
  • 1819 setzt F. A. Kirchner auf das Nebengebäude, in dem sich die Palais-Wache befindet, eine
    Etage, um die "Herzoge, Hoheiten, Cavaliere und höhere Militär-Personen" aufzunehmen.
    Als er 1819 im Alter von nur 45 Jahren stirbt, hinterläßt er seiner Witwe ein florierendes
    Unternehmen.
  • 1819-1831 führt Anna Maria Eleonore Kirchner den Betrieb erfolgreich weiter. Um einen komfortablen, zuverlässigen Transport der Gäste zu gewährleisten, baut sie 1825 im Gartenteil
    eine umfangreiche Stall- und Remisenanlage, mit Bohlenbinder-
    dachkonstruktion, von der das "Hauptgebäude" erhalten ist.
  • 1831 übergibt sie das Geschäft an ihren Sohn Eduard. Im selben Jahr brennt der Flügel mit Palaiswache ab. Ein heißer Abriß? Daraufhin wird sehr schnell (bis Herbst 1832) ein nobler spätklassizistischer Neubau mit großherzoglicher Unterstützung errichtet.
  • 1835 wird im Kirchnerschen Gasthof der "Verein für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde" unter Federführung von Friedrich Lisch gegründet. Dieser Verein hat sich mit
    der Herausgabe der "Mecklenburgischen Urkundenbücher" (MUB) und der "Jahrbücher für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde" (MJB) und durch die
    "Altertümersammlung" immense Verdienste erworben für eine - im Vergleich zum übrigen
    Deutschland frühe - Entfaltung der wissenschaftlichen Regionalhistorie.
  • 1844-1848, im "Vormärz", erlebt der Kirchnersche Gasthof seine Blütezeit mit einer Fülle von
    Bällen, Redouten, Gesangsabenden und Vereinstreffen.
  • 1853 gibt Eduard Kirchner den Gastbetrieb auf und vermietet die Räume, die er nicht für seine
    Familie benötigt.
  • 1857-1873 betreibt in dem klassizistischen Flügelbau von 1832 Fräulein Friederike Mißfeldt
    ihre "Höhere Töchterschule" mit fünf aufsteigenden Klassen, sechs Lehrern und sechs
    Lehrerinnen und 190 Schülerinnen (Stand von 1873). Ihre bekannteste Schülerin ist Johanna
    Willborn (Lehrerin, Schriftstellerin, Begründerin und Vorsitzende des "Schweriner Vereins für Lehrerinnen und Erzieherinnen" von 1886). Amtliche Bedingung für den Betrieb der Schule war
    es, "den Religionsunterricht durch alle Klassen hindurch nur durch männliche Lehrer ertheilen
    zu lassen." Nach Friederike Mißfeldts Pensionierung wird die Schule an anderer Stelle
    weitergeführt und 1916 in das Lyzeum eingegliedert.
  • 1857-1863 wohnt der Schweriner Senator und Bürgermeister C. A. F. W. Möller, ein
    Schwiegersohn E. Kirchners mit seiner Familie im Haus. Möller und sein engster politischer Weggefährte, Senator Pohle, kämpfen anhaltend für eine liberale Verfassung der Residenzstadt.
    Noch 1862 macht er dem Großherzog persönlich deutlich, daß für ihn in der Verfassungsfrage die "Pflichten gegen das Land" wichtiger seien als der Gehorsam gegenüber dem Großherzog. 1866 geht er als Richter in das liberalere Rostock. Nach Rostock geht 1874 auch sein Schwager, der Anwalt Eduard Christian Kirchner; nach diesem ist noch heute in Warnemünde eine Straße benannt.
  • 1894 erwirbt die "Oberste Verwaltungsbehörde des Großherzoglichen Haushaltes" den Besitz von den Kirchner-Erben setzt die Vermietung fort. Die Mieter sind vor weiterhin allem aktive oder pensionierte höhere Beamte, Ärzte, Anwälte, Offiziere bzw. deren Witwen (u.a. die Mutter des Schriftstellers Heinrich Seidel und die Witwe des Oberhofbaurates H. Willebrand). Dazu kommen zwei, drei Handwerksbetriebe. Dies Bild ändert sich bis 1945 nicht wesentlich.
  • 1936 Ein Kaufinteressent hat den Plan, durch das barocke Kerngebäude (Oertzen-Palais) eine Durchfahrt zu brechen, um geplante Garagenbauten im Garten zu erschließen. Dieser Antrag
    wird abgelehnt. Jetzt wird das Haus-Ensemble ausdrücklich als geschütztes Baudenkmal
    ausgewiesen. Der Kaufmann Heinrich Martins kauft das Anwesen vom Staat.
  • 1945 vervielfacht sich durch den Flüchtlingszustrom die Anzahl der Mieter; so sind 1949 fünf
    Betriebe bzw. Büros und 31 Mietparteien verzeichnet. Die Bausubstanz, die schon vor dem
    Krieg durch Schwammbefall angegriffen war, verfällt kontinuierlich.
  • 1984 wird das Grundstück enteignet und dem "VEB Kommunale Wohnungsverwaltung"
    zugeordnet. Die Räume werden zunehmend unbewohnbar. Die letzte Mieterin zieht deshalb
    1989 aus.
  • Selbst die Initiative "Rettet die Schelfstadt", die sich auf die Fahnen geschrieben hat, der Schelfstadt das Schicksal eines drohenden Flächenabrisses zu ersparen, sieht für dieses besonders heruntergekommene Bauensemble kaum noch eine Chance auf Rettung.
  • 1989, im Dezember, bietet Björn Engholm als Ministerpräsident von Schleswig-Holstein den Schleswig-Holstein-HausNordbezirksstädten Schwerin, Rostock und Neubrandenburg Unterstützung bei der denkmalgerechten Sanierung je eines kulturell zu nutzenden Gebäudes an. Noch vor dem Jahreswechsel reagiert die Initiative und schlägt Engholm das Gebäudeensemble
    Puschkinstraße 12 / Schliemannstraße 2 als geeignetes Objekt vor.
  • 1990 schließen das Land Schleswig-Holstein und die Bezirksstadt Schwerin den entprechenden Vertrag, in dem sich Schleswig-Holstein zu einer Förderung in Höhe von 3,5 Mio. DM verpflichtet. Damit fällt der Startschuß für die aufwendigen Wiederherstellungsarbeiten. Die enteigneten Eigentümer werden entschädigt.
  • 1994 wird zwischen den Ländern Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und
    der Landeshauptstadt Schwerin der Vertrag über das kulturelle Nutzungskonzept des Hauses geschlossen.
  • 1995 eröffnen die Ministerpräsidentin Heide Simonis und Berndt Seite und der OB Johannes Kwaschik mit einer Ausstellung das "Schleswig-Holstein-Haus" als Kulturforum der Landeshauptstadt Schwerin. 4